Mehrstündige Zugreise mit Kleinkind – Ein echter Horrortrip *Gastartikel von 2 Kind Chaos*

Mehrstündige Zugreise mit Kleinkind. Was man beachten sollte. Tipps zum Zugfahren mit Kleinkind anhand eines Satire-Artikels.

Die Vorbereitungen waren für unsere Verhältnisse vorbildlich… es wurden Listen geschrieben, im Internet nach Adressen recherchiert und über alle Eventualitäten meditiert. Aber wie schon auf meiner Tasse steht, die ich von meiner Mitautorin Mo geschenkt bekommen habe: „Und manchmal haut die Realität der Hoffnung voll auf die Fresse“. Ja, das Einzige was an unserer Hinreise nach Amrum gut war, war die Tatsache, dass ich jetzt noch mehr zu Bloggen habe…

Zugreise mit Kleinkind: Schlechtes Timing ist alles

Ok, wir haben ein wenig zu knapp geplant. Am Freitag musste ich nochmal arbeiten gehen und hatte eigentlich darauf spekuliert, deutlich früher gehen zu können. Blöd nur, dass ich mal wieder alleine war mit 16 Kindern und dann gerade mal eine halbe Stunde früher losgekommen bin. War ja klar… Zuhause kam dann der Fehler Nummer 2 der Timing Sünden: erst mal in Ruhe Mittagessen. Ja, sollte man sein lassen. Denn der Papa war dann vollauf damit beschäftigt, aufzuräumen und abzuspülen und irgendwelche Ecken abzuwischen, die er noch so gefunden hat. Wäre ja auch unhöflich, den Kater in solchem Dreck zurückzulassen. Fehler Nummer 3 war, mich darauf zu verlassen, dass der Papa die Checkliste nochmal durchgeht und die restlichen herumstehenden Dinge einpackt. Außerdem musste ich nochmal Stillen und schon klingelte die Oma, die ihres Zeichens eine Zu-Spät-Kommen-Phobie hat und die ganze Zeit lautstark ermahnte, doch nicht den Zug zu verpassen.

Ich rannte also wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Gegend herum und versuchte, schnell noch Ostereier äh Gepäckstücke zu suchen, die nicht eingepackt waren, während der Papa letzte Wischarbeiten vornahm und die Oma das Kind anzog. „Ihr verpasst den Zuuuuug… schneeeell…“ mit diesen aufmunternden mantra-ähnlichen Schreien verließen wir dann fluchtartig die Wohnung und mir passierte Fehler Nummer 4: ich vergaß mein Handy. Mein fucking Handy! Meine Nabelschnur, mein bester Freund! Hallo, geht’s noch? Ich wollte die ganze Fahrt immer mal wieder twittern, Mails checken, Fotos machen. Außerdem habe ich da meinen Sicherheitscode für den Blog, der sich alle paar Sekunden ändert – soll heißen, ohne das Scheißteil komme ich nicht in meinen Blog rein! Ein Mal laut Schreien bitte!!!

Zugreise mit Kleinkind: Trügerische Sicherheit im 1. Klasse Abteil des ICE

Auf der Autofahrt mit dem Opa bemerkte ich natürlich sofort, dass mein Handy fehlte – aber umdrehen war natürlich undenkbar. Zu Spät Kommen und so. Wir kamen also gemütlich 20 Minuten zu früh an, ohne Handy, und trieben uns dann erschöpft und (in meinem Fall) resigniert verzweifelt durch die strömenden Massen mit unserem Penner – Kinderwagen, der randvoll geladen war mit unseren Taschen. Der ICE stand auch schon da und wir konnten uns in unserem 1. Klasse deluxe Vierer – Abteil breitmachen. Die Maus fand es natürlich genial und so verliefen die ersten eineinhalb Stunden nahezu perfekt. Hier entstand auch das nette Foto. Der Zug war nicht zu voll und ich hatte auch ansatzweise Privatsphäre zum Stillen. Auf einmal kam dann eine Durchsage à la „Wir erreichen in 5 Minuten Fulda, blablabla“ (geistiges Abschalten, denn wir sollten erst in Kassel umsteigen) „ICE Richtung Hamburg auf Gleis 6“. Moment. Gibt es hier auch einen? Kurze Schreckminute. Nee, das ist nicht unsrer. Oder? Irgendwer blökte etwas von Aussteigen. Scheiße.

Auf einmal hielt der Zug und wir rafften panisch die letzten Sachen. Ich hatte das Kind und zwei Taschen, die natürlich offen klafften, der Papa rannte weiter zu Kinderwagen und Koffer. Natürlich war mittlerweile eine Panik entstanden und alle drängten sich dort, wo der Papa rausmusste. Ich wartete zwischen den Gleisen, hin und hergerissen zwischen mich in die Tür stellen und auf den Papa warten. Als er es endlich rausgeschafft hatte, blökte eine verschwitzte Frau, das sei alles eine Fehlinformation und stieg wieder ein. Also befragten wir die Zugmitarbeiter auf dem Gleis, die desinteressiert bei der Stampede zuschauten und chillig an ihren Zigaretten zogen. Jaaaa, alsooo, das sei eine schlechte Idee wieder in den Zug einzusteigen, da könne man ja nicht mehr umsteigen. Auf dem Gleis gegenüber pfiffen währenddessen die Schaffner, die Türen gingen zu. Scheiße. Der Papa ließ sich versichern, dass er dringend in den ICE gegenüber steigen müsse. Irgendeine Passantin wies uns darauf hin, dass man vorne beim Schaffner noch reinkönne. Ich fetzte also mit Kind und Taschen drauflos, und während mich die ausdruckslosen Augen des Schaffners beobachteten, trat der Schaffnerkörper (stellt euch das in Zeitlupe vor) hinter die Tür, die sich schloss. Wild drückte ich auf die Knöpfe und winkte – nichts. Der Zug fuhr davon.

Zugreise mit Kleinkind – oder wie ich es nenne, die Terrorzelle

In 30 Minuten kam dann der IC nach Hamburg Altona. Der IC. Das war fast noch eine Beleidigung für alle ICs, denn es handelte sich um eine Bummelbahn aus dem Allgäu, randvoll mit Allgäuern. Wir als stolze Besitzer der Bahncard für die 1. Klasse versuchten es also erst mal dort und mussten uns von mindestens zehn unfreundlichen älteren Damen anrempeln und beschimpfen lassen. Ja, sorry, so ein Kinderwagen blockiert halt den ganzen Flur und niemand kommt mehr durch. Niiiiemand! Muahahahahahaaaa! Nee, so viel Verständnis wie beim Zugfahren wird einem selten entgegengebracht. Herzerwärmend. Erinnert mich wieder daran wieso ich so lange keinen Bock mehr drauf hatte. Nachdem das 1. Klasse Abteil dann erwartungsgemäß mit allgäuer Managertypen und reichen Familien voll war, blieb uns nur die 2. Klasse. Sardinen – Feeling inklusive. Alles Freie war auch schon reserviert, aber wir kamen erst mal in einem Vierer unter.

Links, rechts, hinten und vorne wanderfreudige Rentnerinnen, die abwechselnd das Kind anflöteten, das auch so schon am Rande der Erschöpfung war. Es ging auf die 16 Uhr zu und sie war im ICE schon kurz vor dem Einschlafen gewesen, als die Durchsage kam. Wir erreichten also allmählich den Zustand „ungnädig“, der kurz vor „durchgeknallt“ anzusiedeln ist. Sie beschäftigte sich also damit, das Nackenkissen des Sitzes abzureißen und einen Wutanfall zu kriegen, dass es nicht sofort klappte und dann wieder zu schreien, weil es nicht sofort dranging. Zwischendurch forderte sie mit zornrotem Gesicht nach Bebe, was momentan nicht zwangsläufig „Milch“ heißt sondern auch „Ruhe“ oder „Trost“. Die Käsebahn indes stoppte an jeder erdenklichen Haltestelle und nahm immer mehr Menschen auf; mittlerweile waren alle Plätze belegt und es staute sich auch auf den besseren Stehmöglichkeiten. Stillen? Zum einen wirklich unangenehm und zum anderen nicht möglich, Ablenkung pur. So ein kleines Baby ist sie nicht mehr, dass das gehen würde.

Zugreise mit Kleinkind: Das Still – Desaster mit Wutzwerg

Wir versuchten es also auf dem Klo… wenn man es denn so nennen kann. Der Boden war klebrig und es roch streng nach Käse und Fisch. Holy Shit, Leute, wie macht ihr das immer. An Stillen war aber auch so nicht zu denken, denn die Maus, mittlerweile im Terrornudel – Modus, hatte den Wasserhahn entdeckt und kreischte so lange, bis sie damit spielen durfte. Bevor sie irgendwann damit beginnen wollte, den Müll auszuräumen, kehrte ich zurück und wir setzten uns auf einen Zweiersitz – noch enger und beklemmender, aber immerhin minimal mehr Privatsphäre. Hier würde es doch klappen mit dem Stillen? Fast, ja fast hätte es das, wenn wir nicht direkt hinter einer Familie mit drei Jungs gesessen hätten, die direkt aus den 90ern entsprungen schienen und Tomätchen aus Tupperdosen mümmelten, während sie Miniatur- Mensch ärger – dich – nicht und Uno zockten und dabei lauthals „Yeah!“ und „DUUU BIIIST!“ brüllten. Ich spürte regelrecht die Verzweiflung des armen Kindes in meinen Armen, das immer wieder die Augen aufriss, die mittlerweile schon rot unterlaufen waren.

Immer wieder stoppte die Käsebahn und noch mehr Leute strömten herein – wo die wohl alle Platz fanden? Es kam natürlich wie es kommen musste und der ultimative Wutanfall bahnte sich seinen Weg. Schlagen, Brüllen, Kreischen, Kratzen. Da wir keinerlei Platz hatten und auch die Gänge voll waren mit Menschen (der ultimative worst case) trug ich also mein schreiendes Kind in Richtung 1. Klasse Toilette, die genauso übel roch wie die andere aber wenigstens keine Überschwemmung vorzuweisen hatte. Gefühlt bin ich in dieser Zelle um mindestens zehn Jahre gealtert. Das Kind warf sich hin, schrie weil es nicht angefasst werden wollte, schrie weil es auf den Arm wollte, schrie weil es runter wollte, schrie weil es hochgenommen werden wollte. Ungelogen, sie war klatschnass geschwitzt und brüllte wie am Spieß. Rausgehen war zum einen keine Option weil da noch weniger Platz war und zum anderen brüllte sie, weil sie nicht aus der Tür gehen wollte. So ging das gut eine halbe Stunde – und irgendwann konnte sie gar nichts mehr außer auf meinem Schoß liegen, trinken und einschlafen. Ab dann konnte ich sie zum Sitzplatz tragen wo sie auch weiterschlief und erst eine halbe Stunde vor Ankunft wieder erwachte. Wie gemütlich es ist, ein Kind ständig auf einem Arm auszubalancieren, wissen wohl die meisten Eltern… naja, wenigstens konnte der Papa gemütlich lesen.

Zugreise mit Kleinkind: Endlich? in Hamburg angekommen

Nachdem die Fahrt also zwei Stunden länger dauerte als geplant wollte ich nicht mehr nach dem richtigen Bus suchen sondern direkt mit dem Taxi fahren. Das Hotel hatte ich Schlaufuchs ja per Internet gebucht auf einer Plattform, die Sparpreise anbietet. Der Nachteil: mitten im Industriegebiet am Hafen, keine gescheiten Fressalien weit und breit. Also sind wir ein wenig im Hotel selbst spazieren gegangen, denn das waren drei Hotels in einem, das eine hatte sogar 16 Stockwerke. Der Wahnsinn. Es erinnerte tatsächlich an Shining, da man ewig in leeren Gängen herumstolpern konnte und ich fast erwartete, einen axttragenden Jack Nicholson aus einer Tür hervorstürzen zu sehen. Um das Hotel herum konnte man ein wenig über die Brücken über die Elbe laufen, was zumindest einen Hauch Andersartigkeit hatte. Schön ist trotzdem was anderes. Außerdem konnte ich meine Internet – Sucht mit der Hotel – WLAN ausleben – der mitgebrachte Stick hatte wie erwartet einen Totalausfall.

So weit, so gut. Der restliche Abend war dann ähnlich wie zuhause; bis um 23:30 Kind im Wohnklo bespielen (Dusche und Klo zum Reinfallen, kein separates Bad). Dann langsam Licht ausmachen und mindestens 30 Minuten warten, bis es einschläft. Irgendwann dämmerten wir tatsächlich ein… bis, ja, bis… nein, kein schlechter Scherz, der Feueralarm losging. Erst dachte ich ja, unsere Nasszelle mit Bett wäre halt irgendwie so abgegammelt dass die Batterie des Feuermelders leer ist, denn ich kenne es dass die dann losgehen können. Auf dem Flur standen dann ein paar verwuschelte ältere Ladys, die irgendwas von „Alle raus!“ murmelten (zumindest klangen ihre Schreie gegen den Lärm wie ein solches). Hä, wieso raus, dachte ich und wollte bei der Rezeption anrufen und mich beschweren. Wir sind dann eher aus der Motivation heraus, dem Lärm zu entkommen, rausgelaufen und waren dann fast schockiert, als das ganze Hotel in Massenpanik unter diesem betäubenden Fliegeralarm rausströmte (also waren die Hotels doch nicht so leer wie gedacht).

Nachdem die Feuerwehr anrückte, fanden wir heraus, dass einfach nur irgendein Vollidiot den Alarmknopf eingeschlagen hat. Ich hätte ihn gern verprügelt und andere Dinge angetan, die ich an dieser Stelle natürlich nicht beschreiben werde. Und das Kind fand das so toll und so lustig, dass es mindestens noch eine dreiviertel Stunde vom „Mann“ (Feuerwehrmänner) und „Lalülala“ reden wollte. Da hat es dann auch nicht mehr gestört, dass wir auf zusammengeschobenen Betten mit dem Riesenkrater (formally known as Gästeritze) kaum bequem liegen konnten und ich gefühlte zehn Zentimeter zur Verfügung hatte. Der Schlaf erbarmte sich dann irgendwann und dieser Horrortag hatte ein Ende gefunden.

Ich danke „Frida Mercury“ vom Familiensatire-Blog „2 Kind Chaos“ herzlich für diesen Gastbeitrag. Mein Adrenalinspiegel ist jetzt für heute genug Achterbahn gefahren. So eine Zugfahrt wünscht man nicht einmal seinem ärgsten Feind. 

7 Comments

  1. Ein sehr interessanter Artikel. Wenigstens der Humor ist doch noch geblieben, ich musste doch einige Male, wegen der Beschreibung, herzlich lachen.
    An der Reiseplanung (wie z.B. Bahnfahrt inkl. Umsteigen und Hotelbuchung) muss wohl noch etwas gefeilt werden ;-)

  2. Aaach ich hab mich nicht über die Kinder aufgeregt weil sie laute spielende Kinder sind sondern weil ich todesmäßig am Ende war und mein Baby noch mehr und es dann nicht schlafen konnte :( Kann man doch verstehen oder? ^^

    Das mit dem Hotel habe ich tatsächlich vorher abgecheckt aber dass es ein großer leerer Klotz ist stand nirgendwo drin. Dass es nachts Randale gibt auch nicht. Besonders viel unternehmen wollten wir ja nun auch nicht. Und beim nächsten Mal mache ich sicher einiges anders ;)

    LG

  3. Das ist wirklich keine schöne Erfahrung und nicht das erste Mal, dass ich von einer Horrorzugfahrt mit Kind lese. Anscheinend haben wir bisher sehr viel Glück gehabt bei unseren 105486 Bahnfahrten mit Kind – so etwas haben wir noch nie erlebt und finden Bahnfahren immer total toll.Ok, die Bahnfahrt im EC nach Prag war für uns in den ersten Minuten schlimm, weil wir keinen Sitzplatz bekommen haben (dann später aber im Bordrestaurant, wo uns nette leute ihren Platz freimachten!!). Aber das war unsere Schuld, da wir keine Reservierungen gebucht hatten. Natürlich ist alles nicht so sauber und stinkt mal hier und da…und natürlich gibt es immer wieder Mitreisende, die kein Verständnis haben, aber Meckerfritzen und Dreck gibt es halt überall und ich erwarte halt auch nicht zuviel, plane vorher alles genauestens durch und gehe positiv an die Sache…letztens haben uns Freunde von Bahnfahrten in Asien erzählt…DAS war definitiv ’ne Nummer härter…also schlimmer geht es immer;-) Und sich über Kinder, die im Zug UNO spielen und sich dabei freuen, aufzuregen, finde ich etwas unpassend, denn man möchte ja selber Verständnis für seine Kids….das verstehe ich nicht so ganz (auch wenn ich die Autorin des Textes sehr mag!!). Ich bin fest davon überzeugt, dass man mehr Positives erlebt, wenn man positiv an etwas herangeht und versucht immer das Beste aus allem zu machen. Und, dass Deutschland nicht so kinderfreundlich ist, weiß man ja irgendwie…wundern tu ich mich schon lang nicht mehr…Und bezüglich des Hotels kann man sich ja dank Internet und Google Street View auch vorher erkundigen, was auf einen zukommt…Und die Verspätungen und Planänderungen der Bahn sing na auch nichts Neues…Trotzallem kann ich den Ärger natürlich verstehen und wünsche beim nächten Mal ein besseres Erlebnis!!!

    1. Hallo Nadja (heute stehen wir irgendwie konstant in Kontakt, witzig :-)) ja, beim Lesen des Berichts können einem schon die Schweißperlen auf die Stirn treten…Unsere „Frida“ ist ja bekannt dafür, dass sie in ihren Beiträgen gern mal Situationen pointiert, versuchs mal vor dem Hintergrund zu verstehen. Ihr neuer Blog nach „Herzmutter“ ist sogar ganz bewusst als „Familien Satire Blog“ überschrieben.Coole Idee, finde ich. Aber klar, Du hast recht: Eine positive Einstellung hilft zumindest mal, über gewisse Situationen zum Teil hinwegzusehen oder das ganze mit etwas Galgenhumor zu betrachten. Noch viel Spaß beim Bellini-Trinken. ;-) Cheers! Christina

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