Sommerferien 2023: Lesetipps für Eltern

Sommerferien Lesetipps Eltern

Bisher habe ich ausschließlich Bücher für Kinder rezensiert. Warum wohl? Keine Zeit. Keine Zeit. Nun fahndet unser Mädchen inzwischen selbst nach Buchstaben in Büchern, fabriziert Bastel- und Malkunstwerke in ihrer Kreativecke und häufig kommt der Satz: „Ich geh spielen in mein Zimmer!“ aus ihrem Mund. Das bedeutet: Auch mir bleibt inzwischen mehr Zeit, mich meinen Hobbys zu widmen. Unter anderem dem Lesen. Deshalb habe ich hier einige – auch neu erschienene – Bücher für Euch zusammengestellt, die ich persönlich empfehlen kann. Genau richtig für Sommerferien im Liegestuhl, wenn die Kinder tatsächlich sich selbst genug sind. Oder verregnete Sommer wie diesen, in denen es sich prima auf dem Sofa einkuscheln lässt. Genießt den Sommer, egal, wie er ausfällt.

Warum sollten eigentlich Eltern Zeit für sich gestalten?

Eltern sein ist eine wunderbare und erfüllende Aufgabe, aber auch eine anstrengende und herausfordernde. Eltern müssen sich um die Bedürfnisse ihrer Kinder kümmern, ihnen Liebe und Erziehung geben, ihnen bei den Hausaufgaben helfen, sie zu Aktivitäten fahren und vieles mehr. Dabei kann es leicht passieren, dass sie sich selbst vernachlässigen und keine Zeit mehr für sich haben. Das ist jedoch nicht gut für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Eltern, sondern auch für die Beziehung zu den Kindern und dem Partner.

Zeit für sich zu gestalten bedeutet nicht, dass man egoistisch oder verantwortungslos ist. Im Gegenteil, es bedeutet, dass man sich um sich selbst kümmert, um wieder Kraft und Energie zu tanken, um Stress abzubauen, um neue Perspektiven zu gewinnen, um Hobbys zu pflegen, um Freunde zu treffen oder einfach nur zu entspannen. Zeit für sich zu gestalten ist eine Form der Selbstfürsorge, die jedem Menschen zusteht und die auch positive Auswirkungen auf die Familie hat.

Wenn Eltern Zeit für sich gestalten, können sie besser mit den Herausforderungen des Alltags umgehen, sie sind geduldiger und verständnisvoller mit ihren Kindern, sie sind glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben, sie haben mehr Spaß und Freude an der Elternschaft, sie fördern die Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen ihrer Kinder, sie stärken die Bindung zu ihrem Partner und sie sind ein gutes Vorbild für ihre Kinder.

Deshalb sollten Eltern nicht zögern, sich regelmäßig Zeit für sich zu nehmen. Das kann im Praktischen ganz viel bedeuten. In die Sauna gehen, eine Runde um den Block spazieren, Blogartikel schreiben, Sport treiben. Die Möglichkeiten sind vielfältig und individuell. Wichtig ist nur, dass man sich bewusst Zeit für sich gestaltet und diese genießt.

Heute möchte ich Euch Anregungen zum in Büchern schmökern geben.

Sommerferien: Lesetipps für Eltern

No Baggage – Ein Date, drei Wochen, acht Länder – und kein Gepäck von Clara Bensen

Sommerferien Lesetipps ElternBereits im Rahmen meines Artikels zum Lindner-Hotel „Am Wiesensee“ konntet Ihr einen kleinen Blick auf mein neues Lesefutter werfen. Genau das Richtige für das Entspannen im Ruhebereich der dortigen Wellnessoase…Auf einer Internetseite lernt Clara Jeff kennen. Sie, gerade einer handfesten Psychokrise entstiegen und hungrig nach Leben, Abenteuer und auch ein wenig Ungewissheit. Er, bindungsunfreudig und reiselustig, fern jeglicher Konvention lebend. Zum Beispiel in einem umgebauten Müllcontainer. Das passt wie die Faust aufs Auge.

Zwei Amis fast ohne Gepäck auf Reisen durch Europa

Und so beschließen die beiden, sich aus den USA auf den Weg nach Europa zu begeben. Und zwar fast ohne Gepäck. Sogar die Zahncreme findet erst nach einer unschönen Erfahrung unterwegs den Weg in die Handtasche, die das Reisegepäck darstellt. Von Istanbul aus führt die Reise durch die Westtürkei. Einmal übersetzen nach Griechenland. Dann per Bus, Flieger, Anhalter, Flugzeug und Auto durch Osteuropa und nach England. Immer wieder schimmert die fragile Seele der Hauptdarstellerin durch. Immer wieder der Freiheitsgeist von Jeff. Unterwegs spüren beide, dass da doch allerdings mehr ist als eine unverbindliche Reisebekanntschaft. Und so reist das (reale) Paar seitdem experimentell ohne Gepäck und ohne das Wissen um den nächsten Schlafplatz durch die Welt.

Ein autobiographischer Roman mit Leichtigkeit und Tiefe

Der autobiographische Roman von Clara Bensen rührt meine minimalistische, manchmal rastlose Seele an. Ich persönlich bin zwar kein Fan von Romanen aus den USA. Und von Zeit zu Zeit muss ich die Sicht auf Europa belächeln. Insgesamt aber ein ansprechendes Buch. Highlights: Die Bildblöcke, die zwischen einzelnen Kapiteln auftauchen und die Geschichte noch plastischer und realer werden lassen. Der Blick auf das fein säuberlich aufgereihte reduzierte Reisegepäck. Bilder der schlafenden Autorin auf der Fähre nach Griechenland. Und die immer gleiche Pose der beiden. Etwas statisch in der gleichen Kleidung – grünes Kleid ihrerseits, rote Hose, gestreifter Pullover und Hut seinerseits – mit Abstand voneinander vor wechselndem Hintergrund. Das hat etwas lustiges und auch wieder vertrautes. Ich habe den Roman – leichte und unterhaltsame Literatur – verschlungen und mich auch ein wenig in die Zeit meiner Australienreise zurück versetzt gefühlt. Ein halbes Jahr aus dem Rucksack lebend, trampend, unverheiratet und kinderlos.

Für: Freiheitsliebende, etwas sehnsüchtige Eltern, die das vergangene einfache Reisen vermissen

Preis: 14,99€

Autor: Clara Bensen

Verlag: Bastei Lübbe

Seiten: 300 Seiten

Bestellung: Zum Beispiel über Buchhandel

Bewertung: 8 von 10 Punkten

Sommerferien: Lesetipps für Eltern

180 Grad Meer von Sarah Kuttner

Sommerferien Lesetipps ElternIch gebs gern zu: Ich mag Romane mit schrägen und kaputten Charakteren. Da, wo es nicht rosig perfekt scheint, fühle ich mich zuhause. Leicht melancholisch, gebrochen und im Leben irgendwo irgendwie verloren gestrandet. So zeigt sich die Hauptdarstellerin Jule direkt zu Beginn des Romans „180 Grad Meer“ von Sarah Kuttner. Aus einer unglücklichen Kindheit entwachsen. Mutter depressiv und egoman. Vater nicht wirklich vorhanden. Und nun steckt Jule in einem Leben fest, dass ihr nicht passt. Als Sängerin im immer gleichen roten Kleid macht sie in einer Bar „den Soul kaputt“, wie sie es bezeichnet. Gibt dort „die beschissensten Songs der Achziger, der Neunziger und das Beschissenste von heute“ zum besten. Geht mehr aus kalter Gewohnheit denn aus Lust mit dem Besitzer der Bar fremd. Ihr Freund Tim, tendenziell neurotisch veranlagt und zwanghaft alles von Schnürsenkeln bis Lebensentwürfen verbinden wollend, kommt ihr auf die Schliche. Fast wie gerufen.

Keine leichte Kost: 180 Grad Meer

Denn Jule lässt alles stehen und liegen und flieht nach England zu ihrem Bruder Jakob. Kiffend und grübelnd verbringt sie ihre Tage. Entwickelt eine Hassliebe zum WG-Hund. Dann erfährt sie, dass ihr Vater im Sterben liegt…Provokativ und unverblümt beschreibt Sarah Kuttner das Leben von Jule. Und trotz der Aura des Buches, die gut vom grau-grauen Cover wiedergegeben wird, finden sich regelmäßig wiederkehrend humorvolle Situationen. Wer einen luftig-leichten Sommerroman sucht, ist hier an der falschen Adresse. Wer tief in die menschliche Psyche einsteigen möchte und Galgenhumor zu schätzen weiß, wird diesen Roman verschlingen.

Für: Melancholische verregnete Sommernachmittage auf dem Sofa.

Preis: 18,99€

Autor: Sarah Kuttner

Verlag: Fischer Verlage

Seiten: 272 Seiten

Bestellung: Über Fischer Verlage selbst

Bewertung: 9 von 10 Punkten

Sommerferien: Lesetipps für Eltern

Die Känguru-Trilogie von Marc-Uwe Kling

Sommerferien Lesetipps ElternZu Studentenzeiten liebte ich Poetry Slams. Und immer noch bleibe ich im Fernsehen auf den sogenannten „Dritten Programmen“ bei Kabarettisten auf Kleinkunstbühnen hängen. Ich hege eine Vorliebe für diesen direkten, unverblümten, manchmal auch etwas harten Humor. Das Spielen mit Redewendungen und Worten. Klar: Kind einer Deutschlehrerin wieder. Marc-Uwe Kling, Autor der Känguru-Trilogie, entstammt dieser Ecke und darf sich rühmen, 2006 und 2007 die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften gewonnen zu haben.

Ein kommunistisches Känguru als neuer Nachbar

Beim Lesen seines dreiteiligen Werks (Die Känguru-Chroniken, das Känguru-Manifest, die Känguru-Offenbarung) kommt auch unwillkürlich diese Stimmung auf. Aus dem Nichts taucht urplötzlich das Känguru – überzeugter Kommunist – als Nachbar des Ich-Erzählers auf. Geschickt bringt es den überrumpelten Autor dazu, ihm nicht nur Pfannkuchen zu backen, sondern zieht direkt ganz frech bei ihm ein. Natürlich ohne Miete zu zahlen. Das wäre ja auch kapitalistisch.

Die Straßenverkehrsordnung als Manifestation des reaktionärkonservativen Unterdrückungsmusters

Es folgen Wortgefechte zu Kommunismus, Weltpolitik und allem, was sich den beiden sonst noch in den Weg stellt. „Ich habe meine Führerscheinprüfung abgebrochen, weil ich rechts vor links nicht akzeptieren wollte. (…) Rechts vor links. Das ist ein reaktionärkonservatives Unterdrückungsmuster, manifestiert in der StVO.“ Besonders gefällt mir das Stilmittel im Kapitel „Ganz kleines Tennis“, die ursprüngliche Verwendung des Präsens zugunsten des Imperfekt (dann des Konjunktivs und dann des Futur zwei) zu unterlassen. Und zwar allein aus dem Grund, weil das Känguru es im Rahmen der Geschichte kritisiert. Herrlich. Oder die Beutelkontrolle (Kapitel „Theorie und Praxis“) des „outgesourcten, lohngedumpten Sicherheitsdienstleisters“ am Flughafen, die das Känguru mit folgenden Worten kommentiert: „Weil ich zufällig, verdachtsunabhängig nicht so weiß-mitteleuropäisch aussehe?“ Nur noch brillianter: Die mitgeführten australischen Habseligkeiten im Kängurubeutel: Kurt Cobains Tagebücher, eine Familienpackung Aspirin, ein alter Teddybär, eine Hängematte, ein Schlauchboot, eine Mao-Bibel, rote Boxhandschuhe, diverse Aschenbecher, zwei Packungen Schnapspralinen, den MP3-Player des Autors.

Nur eins ist besser als die Känguru-Trilogie auf Papier: Die Hörbücher

Damit wäre der Charakter des Kängurus eindrücklich umrissen. Im zweiten Band nimmt der neue Nachbar Hertha, ein (Skandal!) geregelter Arbeit nachgehender und scooter-hörender Pinguin einen größeren Raum ein. Und das ausdrückliche Ziel des Kängurus: Die Arbeit an der Weltformel. Einfach irre, schräg und lustig. Der dreiteilige Band im schicken Schuber macht nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch (und haptisch: ich mag angeraute Einbände) eine gute Figur im heimischen Bücherregal. Mein Chef (Danke für einen der besten Literaturtipps der letzten Zeit, Herr K.) sagt, nur eins sei noch besser als die Bücher der Känguru-Trilogie: die Hörbücher.

Für: Müde Eltern, die kurze Kapitel zu schätzen wissen. Kommunisten. verkappte Anarchisten im bürgerlichen Reihenhaus-Gewand. Liebhaber schräger Satire. Max Goldt-Follower.

Preis: 24,00€

Autor: Marc-Uwe Kling

Verlag: Ullstein Buchverlage

Seiten: 976 Seiten insgesamt

Bestellung: Über Ullstein-Buchverlage selbst

Bewertung: 10 von 10 Punkten (leise kichernd und den „Stop den CASTOR“-Kapulli auspackend geschrieben)

Ich danke den Verlagen für das zur Verfügung Stellen der Rezensionsexemplare.

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