Oft sind es die kleinen Reisen, die uns glücklich machen. Häufig hörte ich mich beispielsweise schon den Satz sagen: „Der Schwarzwald ist fast schöner als Kanada!“, wenn ich über den Westweg schwärmte. Das Abenteuer und die Schönheit der Natur liegen in Baden-Württemberg einfach so oft direkt vor der Haustür. Da wäre es eine Schande, meine Wahlheimat nicht in regelmäßigen Abständen zu bereisen. Nicht nur – aber auch – aus Nachhaltigkeitsgründen. Heute empfehle ich Euch als Familie ganz besonders den Enztalradweg. An einem Wochenende mit Kindern ganz wunderbar machbar von Deutschlands schönstem Weinort Besigheim aus bis zur im Moment stattfindenden Landesgartenschau in Mühlacker.
Enztalradweg: Von Besigheim bis Vahingen an der Enz
In Besigheim startet man direkt in der Altstadt mit romantischen Fachkwerkcharme. Wir haben die E-Bikes beim Zweiradshop Imle ausgeliehen. Dort kann man sein Auto gut stehen lassen und der Bahnhof für den Rückweg mit der Regionalbahn ist auch nicht weit. Für uns persönlich hat Besigheim eine besondere Bedeutung. Denn eine meiner liebsten Freundinnen wohnt hier und hat auch in diesem sagenhaften Rathaus geheiratet. Lasst Euch Zeit, die Stadt zu erkunden. Wusstet Ihr, dass Barack Obama in Besigheim seine Wurzeln hat?
Der erste Teilabschnitt zwischen Besigheim und Bietigheim-Bissingen beträgt nur 7 Kilometer. Diese kleinen Teilabschnitte sind teilweise aber auch nötig. Alle naselang überraschen uns tolle Aussichten auf die Enz oder die Weinberge oder ein kleiner Spielplatz lädt zum Anhalten ein.
Bietigheim und Bissingen liegen doch einige Kilometer auseinander, es wird zunehmend ländlicher und die Enz als ständiger Begleiter an unserer Seite macht Lust auf eine weitere aktive Reise. Die Enz ist ein beliebtes Revier für Paddler. Auch ich, die ja liebend gern auf dem Wasser ist und gleichzeitig aber nicht wirklich Kanuprofi, habe die Enz in mein Kanuherz geschlossen. Tipp: Bei den Zugvögeln kann man sich unkompliziert Kanus zu kleinem Preis ausleihen. In Bissigen steuern wir zielstrebig die Rommelmühle an. Eine alte sich bis 1995 sogar in Betrieb befindliche Getreidemühle. Leider hat das Brauhaus darin geschlossen und der Bioladen sieht zwar verlockend aus, aber uns steht der Sinn nach etwas Warmem. Aus vorigen Besuchen wissen wir aber, dass das Brauhaus empfehlenswert ist.
Sehr angenehm am Enztalradweg: Er wird auch immer wieder bewusst durch Orte hindurchgeführt und nicht (nur) am Fluss entlang. So erhält man immer wieder einen Eindruck der schönen Fachwerkarchitektur und des Lebens vor Ort. Durch kleine gelbe Schilder an den Ortseingängen lässt sich sehr gut nachvollziehen, an welcher Stelle der Radwegs man sich derzeit befindet. So stellen wir fest, dass wir uns an manchen Orten weniger als 10 Kilometer Luftlinie entfernt von unserem Wohnort entfernt aufhalten. Und dennoch fühlt es sich so sehr nach Urlaub an…
In Oberriexingen stoppen wir abrupt: Was sind das denn für Tiere? Tatsächlich: Neben Gänsen, Enten, Mäusen und Vögeln kreuzten doch tatsächlich Wasserratten unseren Fahrradweg direkt an der Enz. Zeit für eine ausgiebige Bewunderungspause! Die Nutria, wie sie auch genannt werden, sind eigentlich keine ursprünglich europäischen Tiere. Sie stammen ursprünglich aus Südamerika, sind aber unter anderem durch Pelztierfarmen in Europa ansässig geworden. Durch entlaufene Tiere, beziehungsweise durch bewusste Auswilderung findet man sie heute vor allem am Wasser. Dort bauen sie sich ähnlich wie der Biber auch ein Heim aus Erde, Pflanzen und dünnen Stöcken. Keine Angst: Die Nutria ist meist Vegetarier.
Nach gut 20 Kilometern kommen wir entspannt am Nachmittag an unserem Zwischenziel Vaihingen an der Enz an. Eigentlich – vor allem da wir mit E-Bikes unterwegs waren – hätten wir wohl auch locker die Gesamtstrecke bis Mühlacker geschafft. Aber so konnten wir uns treiben lassen, immer wieder anhalten. Fotografieren. Das Gesicht in die Sonne halten. Einen Spielplatz testen. Dennoch: Es ist immer toll, nach einer kleinen Tour am Ziel anzukommen. Das Hotel Krone in Vaihingen an der Enz ist nicht nur von der Übernachtung her empfehlenswert. Wir probieren auch ausgiebig die gute Küche aus. Und unser Töchterlein wird sogar spontan zu einer Küchenrunde entführt. Die Chefin kommt lachend mit ihr auf dem Arm wieder zum Vorschein und sagt voller Überzeugung: „Sie hat sich den Zwiebelrostbraten ausgesucht!“ Nach kurzem Erstaunen stellt sie allerdings dann einen großen Teller „Spätzle mit Soß'“ wie ihn alle schwäbischen Kinder heiß und innig lieben vor unser vorfreudiges Kind. Ich bestelle mir eine Spargelroulade auf Kerbelsoße. Der kulinarische Himmel. Leider hat es mir genau an dieser Stelle irgendetwas an meiner Speicherkarte zerstört, so dass ich leider keine Bilder davon zeigen kann. Dabei hätte es sich so sehr gelohnt!
Der Enztalradweg: Von Vahingen an der Enz bis Mühlacker
Der nächste Morgen verheißt sonniges Radtourwetter. Vom Marktplatz in Vaihingen (der Bäcker dort bereitet ein tolles Vesper für Erholungspausen vor!) aus geht es weiter hinab an die Enz zurück. Durch Wiesen, Wälder, an der Enz entlang, an den inzwischen so vertrauten Weinhängen vorbei. Immer wieder kleine verträumte Orte mit liebevoll gepflegten Blumengärten. Kurz nach 10 kreuzen wir eine Dorfkirche, lauschen von außen eine Weile dem alten Kirchenlied „Geh aus, mein Herz und suche Freud“.
Besonders gut gefällt uns der Enztalradweg in den Momenten, in denen wir uns direkt zwischen Wasser und Wein befinden. Steil ragen häufig die Felsen daneben auf. Ganz in der Nähe kann man im Übrigen in den Hessigheimer Felsengärten im Freien klettern. Sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene kommen hier auf ihre Kosten.
Kurz vor Mühlacker wieder eine ausgiebige Pause, um Pferde zu bewundern. Gegenüber grasen zutrauliche Schafe. Und so wie es scheint, möchte unser Mädchen auch gleich eines adoptieren. Da bin ich aber froh, dass im Fahrradanhänger dafür nun wirklich kein Platz mehr ist…
Das Ende der 25 Kilometer langen Tagesetappe ist Mühlacker. Vom 9. Mai bis 13. September befindet sich direkt an der Enz wunderschön gelegen dort die Landesgartenschau. Erwachsene kosten 11 Euro pro Person. Kinder bis einschließlich 5 Jahren haben freien Eintritt.
In Mühlacker ganz in der Nähe der Landesgartenschau befindet sich der Bahnhof. Zum Glück erwischen wir einen fast leeren Fahrradwagen. Nur als wir spontan in Bietigheim aussteigen, weil wir das letzte Stückchen bis Besigheim noch einmal auf dem Rad zurücklegen wollen, wird mir etwas Angst und Bange. Kein Aufzug, keine Möglichkeit, den Fahrradanhänger irgendwie über die Gleise zu bekommen. Aber sofort bieten sich Mitreisende zur Hilfe an. Danke! Und das Mädchen schläft seelenruhig weiter ihr Mittagsnickerchen…
Wer mehr über die Beschaffenheit der Strecke, Einkehrmöglichkeiten und die weitere Streckenführung erfahren möchte, dem lege ich die Seite des Enztalradwegs und auch die von Kraichgau-Stromberg selbst ans Herz. Grundsätzlich lässt sich sagen: Ein tolles Reiseziel für Familien und gut machbar für Kinder, die einigermaßen gut Fahrrad fahren können. Sozusagen eine „Einsteigerstrecke“.
Wir danken Kraichgau-Stromberg Tourismus und besonders Thea Lochmann sehr herzlich für die Einladung, den freundlichen Kontakt und die tolle gemeinsame Ausarbeitung der Tour.
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